• Polski
  • English
  • Deutsch
  • Français
  • Landschaften und Blumen Landschaften und Blumen von Bożena Lesiak

    Zweimal in der Geschichte der neuzeitlichen Malerei war es die Landschaft, beziehungsweise die Einstellung der Maler zur Landschaft sowohl in der Ästhetik wie auch in der Sphäre von Ideen, daß sie Veränderungen in Gang brachte. Zum ersten Mal war dies um die Wende des 13. zum 14. Jahrhundert in Italien, wo an die Stelle der konventionellen, goldenen Hintergründe der Gemälde und religiösen Fresken die Abbildungen von Naturlandschaften und Architektur traten. Mit dem zweiten Fall hatte man vor über einhundert Jahren in Frankreich zu tun, als der Impressionismus entstand. In beiden Fällen pflegt man unter einigen mehr oder weniger weltanschaulich motivierten Gründen der Hinwendung zur Landschaft auch die inspirierende Bedeutung der Wissenschaften zu sehen. Für die Künstler der Renaissance galt die lineare Perspektive als Revelation, für die des Impressionismus waren es neue chromatische Theorien. Beide Entdeckungen haben seit langem an Attraktivität verloren, aber die Renaissancewende, nach der ein Bild als „ein Fenster zur Welt „ (Alberti) betrachtet werden sollte, und die impressionistische Doktrin, die die Anwendung der reinen Farben des Sonnenspektrums empfahl, finden bis heute ihre Anhänger. Sie werden von den Künstlern in Betracht gezogen, die sich nach dem Beispiel der Schöpfer venezianischer Veduten, der holländischen Landschaftsmaler, der französischen Schule von Barbizon und schließlich der Impressionisten für die Landschaft als Hauptbereich ihrer Kunst entschieden. Es gibt eine beträchtliche Anzahl von ihnen, weil die Landschaft sich wegen der Vielseitigkeit der von ihr gebotenen Anreize  die Skala des Raumes, die Bewegung der Wolken, die Veränderlichkeit des Lichtes und der Farben und sogar  die Temperatur und der  Geruch-eine faszinierende künstlerische Heraus-forderung ist.

    Bożena Lesiak betont ausdrücklich ihre emotionalen Beziehungen zur Landschaft. Selbstverständlich geht es nicht um die wörtlichen Erklärungen und nicht einmal um die Tatsache, daß die Landschaft  das wohl am häufigsten von ihr aufgegriffene Thema ist. Die natürlichen Zusammenhänge können wir nicht nur in ihren Bildern finden, derenHauptfiguren Wiesen, Bäume, Häuser und Wolken sind. Die Serien der Blumensträuße, Stillleben mit Krügen, Flaschen und Obst, sogar Gemälde mit menschlichen Figuren evozieren Licht, Raum und Bewegung, die für den Kontakt mit einer offenen Landschaft typisch sind. Flaschen und Krüge sind wie Architektur in offenen Räumen der Stillleben, Blumen schießen aus ihren dicht wie Baumstämme zu Sträußen zusammengebundenen Stielen hervor,  Menschen haben etwas Pflanzliches an sich, als ob sie nicht Hämoglobin sondern Chlorophyll in ihren Adern hätten.

    Die Landschaft hat Bożena stets in ihrer malerischen Karriere begleitet. Ende der Siebziger Jahre entstanden kühle Vorfrühlingslandschaften der Tatra. Dann kam die Reise in den Süden Frankreichs, die grelle Landschaft der Provence, die brennende Sonne der Nachimpressionisten. Später das Treffen mit der sanften, ein bißchen überzeitlichen Landschaft der Toskana, und dann Argentinien. Ihre Versuche, auf die jeweils andere Atmosphäre, den anderen Glanz, die andere Lufttransparenz, den anderen Himmel ihre malerischen Antworten zu geben, sind überzeugend. Die Bilder suchen das Wesen, nicht die Topographie der Landschaft auszudrücken. „An Erde, Himmel und Baum finde ich meinen Rückhalt“, gesteht die Malerin. Große Flächen der roten Erde, Fetzen gelber Felder, ein grüner Waldrand, die Wand eines weißen Hauses, ein dunkelblauer, schwerer Himmel – die Landschaftsgouachen und ölbilder sind dramatisch und monumental, stellen Komplexe der synthetischen Flächen mit unruhigen, zerzausten Strukturen dar, wo dunkle Töne mit grellen Flecken der reinen Grundfarben zusammenprallen. Diese Gemälde sind mit Energie geladen, die mit der Faszination über eine gerade angeschaute oder im Gedächtnis behaltene Landschaft beginnt, sich aber schon im Laufe der Arbeit in die Begeisterung darüber verwandelt, die als das Handwerk des Malers bezeichnet wird: nicht zur Wiedergabe einer Ansicht, sondern zur malerischen Antwort der ausgelösten Emotionen. Die Arbeit auf Leinwand oder Papier bedeutet mehrmaliges Übermalen, das Zusammenstellen von glatten und rauhen Flächen, Rhythmen der mit einem Pinsel aufgetragenen Farbenstriche, Risse und Löschungen. Alles dafür, damit ein Bild Wind oder Glut, Frohsinn oder Grauen, die Klarheit der Luft oder den Nebel ausdrückt. Die wichtigsten und  wirksamsten Mittel dazu sind schnelle, schwungvolle, scheinbar ungeduldige Pinselstöße und große Pinselstriche, die an die Fauves erinnern, die nervöse Art des Malens von Vlaminck oder Soutine. Einige Kompositionen, die sich abstrakten Lösungen nähern, bringen die Gemälde von de Stael und seinem Bewunderer-Czapski-in Erinnerung, insbesondere aus dem letzten Zeitraum  von dessen expressionistischem Schaffen.Die Blumen bilden die zweitgrößte Gruppe der Bilder. Ihre Schönheit ergibt sich aus den bei den Landschaften gesammelten Erfahrungen. Im Vergleich mit Landschaften werden die gemalten Sträuße mit nur einem Unterschied aufgebaut: während dort horizontale Strukturen-Streifen von Hügeln, Wiesen, Wolken-dominierten, gilt hier eine vertikale Bewegung, das Aufsteigen, das Wachstum. Die dicht wie Garben zusammengebundenen Tulpensträuße erinnern an Bäume, die Hintergründe verwandeln sich in lichtvolle Himmel. Als eine Entsprechung der Bedeutung der Rose in der Dichtung gilt die der Tulpe in der Malerei. Die im 17. Jh. in der Epoche der holländischen Tulpenmanie verbreiteten Blumen erinnern an Aufstiege und Pleiten ihrer Züchter, an Blumenbörsen, Spekulationen, an Fälle, in denen ein ganzes Vermögen gegen eine Zwiebel besonders rarer Art getauscht wurde.  Sie traten stürmisch in die Malerei ein und zeitigten Tausende von großartigenGemälden. Die Tulpe wird bis heute mit Holland und seiner Kunst assoziiert. Wenn man nachts durch dieses Land reist, sieht man die Treibhauszuchten und die ernährenden Lichtbüschel, die in die am niedrigen Horizont schwebenden Wolken schießen. Bożenas Tulpen sind kraftvoll, sie bezaubern uns nicht durch ihre Leichtigkeit und Flüchtigkeit ,  sie sind nicht schimärisch, sie schmeicheln sich nicht bei uns ein. Sie füllen die Rechtecke von Leinwand oder Papier dicht aus, scheinen mühsam hineingezwängt zu sein. Manchmal hat man den Eindruck, als ob sie aus dem Rahmen herauswachsen möchten. Bożena konstruiert ihre Bilder so, daß sie an das Wachsen einer Pflanze erinnern- aus einer Geste, aus Energie und Farbe. Ein malerischer Schöpfungsakt-Schwung, Energie, Lebenskraft, satte Farben. Die Farbskalen dieser „Gruppenporträts“ von Blumen sind sehr schön.  Wenn man sie mit Landschaften vergleicht, in denen die Energie einer malerischen Geste die volle, reine Farbe ist, sieht man, daß hier die Farbe scheinbar ein bißchen unsicher ist und-ihren Klang beibehaltend  in die Regionen der gebrochenen, ruhigeren Töne strebt. Grüne Farbtöne differenzieren immer stärker, es tauchen violette und rosafarbene Töne auf, zwischen Rot und Weiß erscheinen Pfirsich- und Aprikosenfarben.

    Blütenblätter kommen uns manchmal scharf und verletzend vor, trotzdem verwandeln sie sich ab und zu in eine mit Bewegung erfüllte Helligkeit. Stiele und Blätter bedeuten einen Aufstieg in den offenen Raum. Es wäre schwer, in diesen Bildern die Sorgfalt der alten Meister zu finden, ihre Genauigkeit, mit der sie komplizierte Ornamente auf Blütenblättern verschiedener Arten nachbildeten. Alles ist hier im Aufbruch zu einer neuen Art von Bildern. Sie werden nach einer ähnlichen Regel wie Bäume mit Baustamm und Baumkrone gebaut und vermögen, wie Landschaften, jeweils in ihrer Ausdruckskraft unterschiedlich zu sein. Es gibt noch eine Serie von Bildern, in denen menschliche Figuren erscheinen. Zwei, höchstens drei einsame weibliche Figuren sitzen nebeneinander oder sich gegenüber. Es gibt Tassen, Gläser – ein Treffen findet also ganz gewiß statt. Aber die Frauen haben keine große Lust, sich zu unterhalten, sie sind in ihre Gedanken vertieft, geistesabwesend  eigentlich sind sie  einfach nur da. Ihre etwas amorphen Körper füllen den Raum aus, nehmen Platz auf Stühlen und Sofas, und  damit endet ihre Existenz. Von Zeit zu Zeit gerät in diese weibliche Welt ein komischer, zwergenhafter Mann,  niemand weiß wozu. Das, was in diesen Frauen das Leben ist, verschwindet unter ihrer Haut, ihrem Kleid, dem Lippenstift-unsichtbar und unantastbar. Es ist etwas Pflanzliches an ihnen, sie sind wie Blumen, ein farbenprächtiges Phantom mit weißer Hauttönung. Ihre Welt ist unerreichbar, wir können über sie nichts erfahren. Sie existieren, sind da, und das ist alles. Im Vergleich mit den Landschaften und Blumensträußen, die ihre eigene Dramatik und ihren eigenen Ausdruck haben, in denen biologische Kräfte miteinander ringen und die Bożena mit einem freundlichen oder entzückten Auge anschaut, scheint die menschliche Welt komisch, voll von Trugschlüssen, bestenfalls (in einigen Porträtversuchen) nostalgisch zu sein. Warten wir ab, dann werden sie vielleicht im Laufe der Zeit von gefährlichen oder erlösenden Elementen beherrscht sein, die sie aus einer Region der  Nur-Existenz in die des Lebens versetzen.

    Prof. Zbylut Grzywacz
    Krakau, im September 2001